Frau am Strand, die mit Wasser spritzt.

Begriffsfamilie: verschiedene Bezeichnungen, gemeinsame Ziele

In der Literatur finden sich verschiedene Bezeichnungen für den Ansatz:

  • Formative Research (Reigeluth & Frick, 1999; Reigeluth & An, 2009; Walker, 1992)
  • Design Experiments (Brown, 1992; Collins, 1992, 1999)
  • Design Research (Cobb, 2001; Edelson, 2002; Bakker, 2018)
  • Design-Based Research (DBRC, 2003; Wang & Hannafin, 2005)
  • Educational Design Research (McKenney & Reeves, 2012; Sandoval, 2014)
  • Development(al) Research (van den Akker, 1999; van den Akker et al., 1999; Richey et al., 2003)

Auch wenn die Begriffe unterschiedliche Schwerpunktsetzungen mitbringen, eint sie eine gemeinsame Zielstruktur:

Das unmittelbarste Ziel ist die Lösung von Problemen in der Bildungspraxis. Eng damit verzahnt ist das Ziel, nach außen kommunizierbare Theorien zu entwickeln, die kontextsensitiv und für die Praxis brauchbar sind und gleichzeitig die wissenschaftliche Erkenntnis zum Lernen und Lehren erhöhen. (Reinmann, 2005, S. 58)

Auf dieser Website wird Design-Based Research als Oberbegriff für diese Familie gestaltungs- und anwendungsorientierter Ansätze verwendet.

DBR in der Fremdsprachenforschung

Design-Based Research gewinnt in der Fremdsprachenforschung zunehmend an Bedeutung, ist jedoch im Vergleich zu anderen Disziplinen weiterhin unterrepräsentiert. Obwohl das Potenzial von DBR bereits vor über zehn Jahren hervorgehoben wurde (Blin & Jalkanen, 2014), fokussieren vorliegende Reviews aus der Fremdsprachenforschung überwiegend auf technologiebezogene Kontexte (Ozverir et al., 2021; Tinoca et al., 2022). Insgesamt bleibt die Zahl an DBR-Studien im Bereich der Fremdsprachendidaktik noch gering.

DBR lässt sich innerhalb der Forschung besonders gut zwischen praxisnahen Ansätzen und theorieorientierten Formen der Unterrichtsforschung verorten. Dabei weist DBR sowohl Überschneidungen als auch klare Unterschiede zu anderen etablierten Forschungsrichtungen auf. Die folgende Übersicht zeigt, wie DBR im Verhältnis zu diesen Ansätzen steht und wodurch es sich auszeichnet. 

DBR vs. Practitioner Research

DBR weist konzeptionelle Nähe zu verschiedenen Formen der Practitioner Research auf, etwa Action Research, Lesson Study, Self Study und Exploratory Practice (Hanks, 2015, 2017, 2019). In diesen Ansätzen agieren Lehrkräfte als primäre Forschende, die ihre Praxis selbst untersuchen,oftmals gemeinsam mit Kolleg:innen oder Lernenden (Rowland, 2011; Miller et al., 2015).

Trotz dieser Nähe unterscheiden sich DBR und Practitioner Research in zentralen Punkten:

Zielsetzung:
Practitioner Research fokussiert lokale Praxisentwicklung oder das Verstehen konkreter Unterrichtssituationen.
DBR verfolgt eine doppelte Zielsetzung: Es entwickelt praktische Designs und generiert theoretische Erkenntnisse, die über das konkrete Setting hinausweisen.

Rollen der Beteiligten:
In Practitioner Research handeln Lehrkräfte als Forschende.
In DBR hingegen bringen Lehrkräfte ihre Expertise ein, ohne dass die Forschungsleitung primär bei ihnen liegt. Sie unterstützen die kontextspezifische Gestaltung, wirken an Aushandlungen mit und tragen situatives Wissen bei, insbesondere für Problemdefinition, Kontextanalyse und Adaption von Designs (Cviko et al., 2014; Euler, 2024).

DBR vs. Action Research (als besondere Form der Practitioner Research)

Action Research weist mehrere Ähnlichkeiten zu DBR auf: Beide Ansätze arbeiten zyklisch, beide zielen auf Praxisveränderung, beide verbinden Intervention und Reflexion, und beide setzen auf Kooperation zwischen Praxisakteur:innen und Forschung.Trotz dieser Gemeinsamkeiten bestehen bedeutsame Unterschiede:

Rollenverständnis:


In der Aktionsforschung übernehmen Praktiker:innen die Rolle der Forschenden.
In DBR arbeiten sie zwar intensiv am Designprozess mit, werden jedoch nicht zu Hauptforschenden. Ihre Expertise fließt in Analyse, Kontextkenntnis und Designgestaltungen und -anpassungen ein, während die Forschungsleitung stärker bei der akademischen Seite liegt.

Forschungslogik:


Action Research verfolgt primär die Verbesserung der eigenen Praxis; DBR kombiniert Gestaltung und Praxisentwicklung mit einer expliziten theoretischen Zielsetzung.
Theoretische Modellbildung und wissenschaftliche Generalisierbarkeit haben in DBR einen höheren Stellenwert.

Rolle der Forschenden:


In Action Research nehmen Forschende häufig eine begleitende oder moderierende Rolle ein.
In DBR agieren sie sowohl forschend als auch gestaltend. Sie analysieren, entwickeln, iterieren und modellieren.

Ethisch-politische Ausrichtung:

Action Research trägt häufig einen emanzipatorischen Anspruch, der auf Empowerment, Teilhabe und Veränderung von Strukturen abzielt.
DBR teilt zwar partizipative Elemente, verfolgt aber keinen emanzipatorischen Kern; sein Fokus liegt stärker auf Gestaltung und Theoriebildung.

DBR vs. Qualitative Unterrichtsforschung

Qualitative Unterrichtsforschung, etwa ethnografische oder interpretative Studien, hat das Ziel, Unterricht verstehend zu rekonstruieren. Sie analysiert Praktiken, Routinen und Interaktionen, ohne notwendigerweise in diese einzugreifen.

DBR verfolgt dagegen einen interventionellen Ansatz: Designs werden entwickelt, implementiert und iterativ weiterentwickelt. Während qualitative Forschung auf Beschreibung und Interpretation abzielt, verbindet DBR Gestaltung, Empirie und Theoriebildung in einem zyklischen Prozess.

Kurz:
• qualitative Forschung → verstehen,
• DBR → verstehen durch gestalten.

DBR vs. Evaluationsforschung

Design-Based Research weist inhaltliche Überschneidungen mit Evaluations- und Implementationsforschung auf. In DBR werden Interventionen schrittweise entwickelt und in verschiedenen Reifegraden im Feld erprobt, also implementiert. Die dabei gewonnenen Erfahrungen, Prozesse und Ergebnisse werden systematisch erfasst und reflektiert, sodass auch evaluative Elemente eine zentrale Rolle spielen.

Trotz dieser Berührungspunkte unterscheidet sich DBR jedoch deutlich von klassischen psychologischen oder programmbezogenen Evaluationsansätzen:

Zielhorizont:

Evaluationsforschung zielt häufig auf generalisierbare Wirkungsnachweise oder die Bewertung bereits bestehender Maßnahmen.
DBR dagegen fragt primär, wie gut ein spezifisches lokales Problem gelöst werden kann und wie das Design während des Prozesses verbessert werden muss. Der Fokus liegt weniger auf generalisierbaren Effekten als auf kontextsensitiver Optimierung.

Forschungslogik:

Evaluation bewertet etwas Vorhandenes.
DBR entwickelt und bewertet gleichzeitig – Weiterentwicklung und Evaluation sind untrennbar miteinander verknüpft..

Forschungsformen:

Anstelle kontrollierter Designs arbeitet DBR überwiegend partizipativ. Praxispartner:innen gestalten, testen und reflektieren Interventionen mit, sodass ihre Perspektiven direkt in die Designentscheidungen einfließen.

DBR vs. Design Thinking

Design Thinking und DBR teilen eine iterative, nutzerorientierte Grundhaltung, unterscheiden sich aber in Zielsetzung und wissenschaftlicher Ausrichtung.

  • Design Thinking:
    kreativer Problemlösungsprozess, Fokus auf Ideengenerierung und Prototyping.
  • DBR:
    wissenschaftlicher Forschungsansatz, der Designs theoretisch fundiert, empirisch untersucht und systematisch weiterentwickelt.

Design Thinking kann DBR inspirieren, ersetzt jedoch nicht dessen wissenschaftliche Logik.